Donnerstag, 19. Dezember 2024

Endes schwieriges Frauenbild

Nun gibt es ja diese Bewegung, die aus alten Büchern alles tilgen möchte, was aus heutiger Sicht politisch nicht mehr korrekt erscheint. 
So ist der Vater von Pippi Langstrumpf schon länger kein "Negerkönig" mehr, sondern ein "Südseekönig".
So wenig, wie er vormals über die "Neger" geherrscht hat, so wenig herrscht er nun über die Südsee. 
Der eine, wie der andere Begriff passt nicht. Allerdings haben die Eingeborenen ihn zum König gemacht - im Gegensatz zur Südsee. 
Ein Sternchen mit Fußnote wäre schön gewesen, auch Kinder verstehen eine Erklärung wie: Als das Buch geschrieben wurde, war "Neger" eine gebräuchliche Bezeichnung für dunkelhäutige Menschen und nicht unbedingt abwertend gemeint. Heute wird der Begriff vermieden.
Dann könnte eine Reihe alternativer Begriffe genannt werden. 


Schon schwieriger wird es bei Michael Endes "Jim Knopf", denn Lukas schlägt vor, das dunkelhäutige Baby "Jim" zu nennen, weil es ein "Negerkind" ist. 
Wow, das klingt nicht nur heute böse rassistisch, sondern war es damals auch schon. Vor allem, den Namen "Jim" mit der Begründung zu wählen, weil das Kind dunkelhäutig ist. 
Wie will man das "reparieren"? Soll es nun so heißen: "Wir nennen ihn Jim, weil er dunkelhäutig ist"?
Wäre das weniger rassistisch? Ebenso schwierig wäre: "Wir nennen ihn Jim, weil er ausssieht, wie ein Jim"? Der Punkt ist zu verstehen? Nur der Austausch von einzelnen Wörtern macht einen Text nicht weniger rassistisch. 
Aber ist es auch rassistisch gemeint? Sehen wir uns das liebevolle, väterliche und freundschaftliche Verhältnis von Jim und Lukas an. Da spielt die Hautfarbe eigentlich nur in sofern eine Rolle, dass sich Jim bei Lukas wohlfühlt, weil auch Lukas` Haut dunkel ist und da sehen wir schon, wie sehr Ende sich in Jim hineinversetzt hat und nachfühlen kann, wie es einem Farbigen inmitten einer weißen Gesellschaft geht. 
In meinen Augen geht dieser Punkt an Herrn Ende. 

Deutlich schwieriger wird es, wenn wir einen Punkt betrachten, über den selten bis nie etwas zu lesen oder zu hören ist. Die Frauen in Endes Buch. 
 
Es treten in zwei Bänden vier Frauen auf - drei werden im ersten Band vorgestellt und im zweiten Band kommt die Vierte dazu.
Alle anderen Protagonisten sind Männer, siebzehn - sollte ich mich nicht grundlegend verzählt haben. Von der Wilden Dreizehn noch gar nicht zu sprechen, denn mit denen kommen (Spoiler-Alarm!) zwölf weitere dazu. Damit stehen 29 männliche Sprechrollen (große Auftritte habe nicht alle) 4 Frauen gegenüber. 

Die Männer sind großherzig, mutig, karrierbewusst, ausgesprochen einfältig und gehorsam, antiautoritär eingestellt, dienstbeflissen oder intelligent. Nicht alles zugleich, sondern schön auf die guten und auf die bösen Menschen aufgeteilt.

Was bleibt da für die Frauen übrig?

Frau Waas ist liebevoll, ein wenige anarchistisch und auch mutig - sie behält das Negerbaby obwohl sie große Angst hat, dass ihr "Betrug" auffliegt. Aber Ende verleiht ihr auch Eigenschaften, die sie in keinem guten Licht dastehen lassen. Sie ist betulich, wie eine alte Tante. Erscheint ungebildet und weiß nicht, "was für Leute Drachen sind", zwar ist sie gut um Haushalt (nähen, kochen, backen), aber damit wird eher das "Hausfrauenimage" zementiert. Zudem ist sie immer wieder ängstlich und stets besorgt.
Dabei aber auch wieder passiv - sie lässt es einfach geschehen, dass Jim heimlich abhaut. 
Unter uns: Bea hätte die Welt aus den Angeln gehoben, hätte eines ihrer Kinder so etwas gemacht. 
Die Kinder dürfen gerne in die Welt ziehen - aber nicht ohne, dass man weiß, wo sie abbleiben. 

Prinzessin Li-Si erscheint ebensowenig in einem guten Licht. Sie ist zwar sehr intelligent, aber auch listig, aufmüpfig, frech, naseweis, ängstlich und besserwisserisch. 
Sie ist nicht einmal emanzipiert und forsch, weil sie die gleichen Rechte einfordert wie Jim sie sich rausnimmt (auf Abenteuerfahrt gehen), sie möchte es bloß, weil sie trozig ist und das ungerecht empfindet - da hat sie nicht einmal Unrecht und Jim ist da auch nicht sonderlich diplomatisch. 
Aber sie zeigt eher ein unreflektiertes Verhalten, als den Willen zur Veränderung des Status quo an sich. Jim und sie begegnen sich im Konflikt auf Augenhöhe. Vor allem lässt Jim hier ziemlich deutlich den Macker oder Macho raushängen.

Fau Malzahn ist die böse Antagonistin in Person. Boshaft, rachsüchtig, uneinsichtig, rassistisch (aber darüber spricht ja wieder niemand). Als "Goldener Drache der Weisheit" ist sie zwar allwissend, aber schweigsam und spricht nur mit Jim und Lukas. 
Ja, nun ist sie auch dankbar, aber sympathisch macht es sie nicht.
 
Prinzessin Sursulapitschi, die Meerjungfrau, hat eine etwas beschränkte Sichtweise, wenige Verständnis für die Bedürfnisse anderer, ist dafür aber hilfreich und niedlich. 

Für ein positives oder gar progressives Frauenbild spricht das nicht.
Jim und Lukas werden als antiautoritär, mutig und entschlossen gezeigt. 
Männer der Tat, die allen Widrigkeiten der Welt trotzen, einem ungewissen Schicksal, vielleicht auch dem Tode mit einem grimmig lachenden Gesicht entgegengehen. 

Tja, und die Frauen: FrauWaas versorgt den Haushalt, am Anfang vom zweiten Buch wird erzählt, dass Li-si bei ihr lernt/lernen soll, einen Haushalt zu führen. In den großen Ferien, wohlgemerkt.
Malzahn ist eine Lehererin - hui! Das macht Lust auf Schule und die kleine Sursulapitschi tanzen vergnügt und etwas weltfremd durch ihr Leben. 

DAS ist alles nicht mehr zeitgemäß. Aber alles am "N"-Wort aufzuhängen, greift zu kurz.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen