Montag, 3. November 2014

Immer die gleiche Masche...

... und doch erfolgreich.

Wenn man keinen langen Roman wie Thomas Mann schreiben kann, aber sich nicht in die engen Grenzen von Kurzgeschichten pressen mag, dann bleibt nur ein Kunstgriff.
Besser mehrere von denen. Edgar A. Poe hat in seiner Erzählung über A. Gordon Pym seitenweise Material über Segeln, Flora und Fauna einfließen lassen, um der story etwas mehr Fleisch zu geben. Daniel Kehlmann hat sein Werk "Ruhm" aus verschiedenen Kurzgeschichten zusammengestückelt, die teils realistisch, teils phantastisch waren und sich doch alle irgendwie ergänzten und bedingten.

Walter Moers hat tatsächlich eine ganze Reihe von Büchern veröffentlicht, die nach o.g. Muster zusammengesetzt sind.
"Die 13 1/2 Leben des Käptn B." sind etwa 14 Geschichten, die durch den Protagonisten B. in Form einer rückblickenden Ich-Erzählung zusammengehalten werden.
Auffallend sind die Poe'schen Einwürfe und Erklärungen, die hier aus dem Lexikon Abdul Nachtigallers entnommen sind (natürlich auch von Moers geschrieben). Ließe man diese weg, wären viele Ereignisse, die Käptn B. ereilen völlig unverständlich - ein geschickter Kunstgriff, also! Das Buch wäre aber auch etwa ein Drittel dünner. Ein weiteres Drittel ließe sich einsparen, wenn Aufzählungen und Essensbeschreibungen gestrichen würden.
Tatsächlich ergeht sich Moers in seitenlangen Aufzählungen von Farben, Kunstformen, Lebewesen, Fachgebieten, Ereignissen - egal was.
Natürlich alles rein zamonisch und - zumindest beim ersten Lesen - sehr amüsant. Spätestens wenn man ein Buch ein drittes Mal zur Hand nimmt, wird es aber dröge, weil der Fortgang der Handlung in die Länge gezogen wird.

Bei "Ensel und Kretel" wird die dürftige Geschichte durch die "Mythenmetz'schen Abschweifungen" einigemaßen interessant aufgebläht, wobei das Finale im Hexenhaus doch sehr an Tim Burtons "Hansel and Gretel"-Verfilmung erinnert.
Die halbe Biographie über Mythenmetz dient anscheinend auch nur als Seitenfüller und Fingerübung.

"Der Schreckenmeister" ist eine schlichte Nacherzählung im "Zamonien"-Gewand und auch hier fällt wieder der Hang zur Aufzählung und zum Essen auf.
Ein zentrales Thema in der Zamonien-Reihe.
Übrigens das schwächste dieser Bücher - falls mich jemand fragt.

Bevor ich zum Höhepunkt der zamonischen Literatur komme, noch die "träumenden Bücher":
Der erste Band (Stadt der...) ist wirklich gut. Spannend, voller Anspielungen und Anagramme. Tatsächlich ein schönes Stück Arbeit.
Der zweite Band (Labyrint der...) ist eine Inhaltsangabe des ersten Bandes mit nur wenig neuen Inhalten. Ein müder Abklatsch, ideenlos, langatmig und unnötig.

Doch jetzt kommt der Hammer:
RUMO
Wird manchmal auch als Bildungsroman beschrieben - hat zumindest auch das Ausmaß eines "Zauberbergs" und ist genauso kein Bildungsroman!
Denn Rumo ist am Ende des Buches weder geläutert noch weiser noch sonstwie gebildeter als zu Beginn; während Hans Kastrop am Ende des Buches geläutert und weiser als zuvor in den Kampf zieht und vermutlich stirbt  damit ist dann halt auch alle Bildung dahin.

"Rumo" hat eigentlich auch nur eine recht lineare Handlung, die durch eingeworfene Geschichten um ein vielfaches aufgeblasen wird.
Diese Geschichten erklären einerseits und illustrieren andererseits.
Durch das hervorgehobene  Einwerfen mit "Unterüberschrift" am Blattrand werden langatmige Überleitungen und komplizierte Rückblenden oder Nebenhandlungsstränge vermieden.
Doch auch hier fallen die endlosen Aufzählungen auf, die man bei einem erneuten lesen am Besten überspringt. Wieder wird auf Essen viel Wert gelegt. Rumo ist weder ein begeisterter Esser, noch beteiligt er sich am allgemeinen erzählen. Er ist somit nicht nur der Namensgeber für den Roman, sondern auch der personifizierte Kontrapunkt zu den anderen endlos plaudernden Protagonisten.
Besonders witzig sind die drei Schrecksen, die Rumo die Vergangeheit und die Zukunft voraussagen, diese sind wohl aus Macbeth entlehnt.

Abschließend kann ich hierzu nur sagen, dass Rumo der überzeugenste, dichteste und düsterste Roman ist. Eindeutig nichts mehr für Kinder.
Eine Verfilmung von Tim Burton wäre nur nach Kürzung als FSK 16 zulässig...

Meine Empfehlung: Lest Zamonien-Bücher mehrmals und lasst ab dem zweiten Lesen alles unnötige aus! Nehmt einen Bleistift und malt in den Büchern herum.
Löst die Anagramme und verschönert die Zeichnungen. :-)

Trotz der angesprochenen Schwächen sind die Bücher ein Labsal gegenüber den ewig gleichen Krimis, Thriller, Liebesschnulzen und Kochbücher vom Fließband. 

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