Der Unterschied zwischen Außenwahrnehmung und Selbstwahrnehmung ist ja immer ein schönes Thema.
Jetzt mussten wir uns etwas über Victor anhören.
Lehrerin 1 bezeichnet ihn als ehrgeizig und dass er die Materie versteht, aber sich mündlich gar nicht beteiligt.
Er stünde so sehr unter Druck, dass er lieber den Mund nicht aufmache, bevor er etwas falsches sage.
Sogar, dass er plötzlicher Schmerzen vortäuscht, um nicht antworten zu müssen.
Lehrerin 2 räumt ein, dass er viel Zeit für seine Arbeiten braucht, doch im Grunde alles gut bewältigt.
Aber auch, dass er keine Bereicherung für die Klassengemeinschaft ist, weil er viel mit sich beschäftigt ist, gerade so noch seine Freunde wahrnimmt und sich ansonsten abschottet.
Ein Verhalten, wie es Lehrerin 1 beschreibt, nimmt sie nicht wahr, sie beschreibt eher ein gegenteiliges Bild.
Was machen wir als EZBs daraus?
Ehrgeizig - ja
unter Druck - ja (mitunter, denn sein Wunsch nach 120% Leistung ist da, wird aber durch uns nicht unterstützt)
nicht den Mund aufmachen - nein
Phantomschmerzen - nein
viel Zeit brauchen - ja
Blick nur für einen kleinen Teil der Welt - bedingt ja
Wir gehören nicht zu denen, die per se sagen, die Lehrer hätten immer Unrecht und könnten das
Kind gar nicht richtig beurteilen. Zudem wird das Kinderverhalten von uns stets reflektiert - die Kinder haben halt Sonnen- und Schattenseiten, die von uns immer wieder beleuchtet werden.
Was berichtet Victor selbst von der Schule?
Er geht halbwegs gerne hin, ist aber nie begeistert.
Den Unterricht findet er in der Regel ganz O.K.
Machen ihm Sachen zu schaffen, oder gibt es Differenzen zwischen seiner Welt und der von anderen Kindern, spricht er drüber.
Er reflektiert sich und sein Umfeld recht genau, wobei er dabei in seinen kindlichen Grenzen bleibt.
Schwindeln, lügen oder vertuschen liegt ihm nicht. Er liebt die Wahrheit und falls er doch mal zu seinen Gunsten schönt, ist es früher oder später zu merken.
Wie passt nun dieses Puzzle zusammen, wo zwei Lehrerinnen je ein ganz anderes Bild zeichnen und Victor eher berichtet, dass es wie von Lehrerin 2 dargestellt, zugeht.
Nun, mit Ende des Halbjahres wird Lehrerin 1 nicht mehr in Victors Klasse unterrichten, Lehrer 3 tritt auf den Plan, der bisher nur sporadisch in Erscheinung getreten ist und weder sehr beliebt, noch primär ein Grundschullehrer ist. Trotz dieser Vorzeichen sagt mir mein Bauch, dass dies nicht das Schlechteste ist, was Victor passieren kann.
Zu guter Letzt: Lehrerin 1 begründet mit ihrer Sicht, eine Zensur, die deutlich unter den schriftlichen Ergebnissen liegt, denn mündlich wäre Victor halt nicht gut genug.
Aber warum hat sie nicht einmal vorher das Gespräch mit uns gesucht, wenn sie derart viele Probleme und Problemchen sieht?
Vor allem ist es pädagogisch sinnvoll, ein Kind schlechter zu bewerten, wenn die gleiche Lehrerin beschreibt, er stelle sich selber unter den Druck, gute Leistung zu bringen?
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